Vorwort
In meiner Story „Der Geschichtensammler im All“ triffst du auf den Roboter „RE B340“. Er ist Besitzer einer kleinen Bar und erzählt dir ein paar Geschichten seiner Gäste. Natürlich möchte er auch deine Geschichte hören. Wenn du willst, kannst du viel mehr über seine Gäste herausfinden und dich von ihm zu eigenen Nachforschungen inspirieren lassen.
Für das Projekt habe ich 12 Kunstkarten gezeichnet.
Genug der Worte, dein Raumschiff hat soeben angelegt. Los, steig aus und schau, was dich erwartet!
Kapitel
Geschichte 1: RE B340
Ich bin Robo-Einheit B340. Das B steht für Bio. Und das heißt, dass ich zwar aus Metall bestehe, meine Recheneinheit allerdings mit einem Gehirn aus biologischem Zellmaterial verbunden ist. Aber meine Innereien sind nicht halb so interessant wie die Geschichten in meinem Lokal!
Ich betreibe eine kleine Bar im Sternentstehungsgebiet des Krop-Zentrums. Eine Art Raststelle. Ihr Erdmenschen habt so was auch auf Autobahnen. Nur dass die Aussicht in meiner kleinen Bar um einiges spektakulärer ist! Und die Gäste… nun, exotischer. Und von diesen Gästen kommen die Geschichten. Ich liebe sie! Sie zu sammeln ist meine größte Leidenschaft. Und jeder der hierher kommt, muss mir eine davon da lassen.
Ich heiße dich willkommen! Mach es dir bequem und bestell ein paar Drinks. Immerhin muss ich ja auch von was leben! Und das Wichtigste, erzähl mir deine Geschichte. Das ist die Bedingung, der Eintritt in meine kleine Bar.
Bist du einer von diesen Erdlingen, die entkommen sind? Ich frage mich, was deine Augen gesehen haben. Auf deinen langen Reisen durchs Universum hast du sicher viele Abenteuer erlebt! Wie? Du willst mir nichts erzählen? Nun, dann beginne ich und erzähle dir ein paar Erlebnisse meiner Gäste. Ich hoffe, du hast genügend Zeit mitgebracht.
Geschichte 2: Lasst die Monster los
Ich saß in dem ausbruchsichersten Gefängnis der Galaxis. Umgeben von Vakuum trieben wir durch die wunderschönsten Nebel. Die Kapseln wurden mit Menschen bestückt und dann auf eine lange Reise geschickt. Ihre Geschwindigkeit bestimmte die Dauer der Haft. Wir bewegten uns langsam, etwas unter Lichtgeschwindigkeit. Es gab Vorräte, die man sich einteilen musste. Doch keinem von uns wurde gesagt, wie viel Zeit genau vergehen würde bis zur nächsten Zivilisation.
Die Zelle teilte ich mir mit Lele, einer jungen Frau. Sie sah so zerbrechlich aus und erweckte niemals den Anschein, als könnte sie jemandem wehtun. Doch keiner hier war unschuldig, das hatten uns diese Wesen klar gemacht.
Jeder durfte eine persönliche Erinnerung mitnehmen. Meine Wahl war schlecht. Mittlerweile kannte ich das Buch auswendig. Ich wünschte mir sehnlichst, meinen Gegenstand mit einem der anderen zu tauschen. Doch Lele hatte sich nur ein altes Kissen ausgewählt und Schleusen zu den anderen Gefängnis-Schiffen gab es keine. Da waren nur wir beide. Ich konnte Lele oft nicht ansehen. Ihr trauriger Blick zerriss mir jedes Mal aufs Neue mein Herz. Und manchmal waren da auch die Gesichter der anderen namenlosen Menschen aus den anderen Kapseln. Wir konnten sie hinter den Gittern weiterer Zellen da draußen erkennen. Sahen, wie sie langsam verzweifelten.
„Bonney…“, die sanfte Stimme von Lele ließ mich hochschrecken, „da draußen ist etwas.“
Schnell sprang ich auf. „Wo?“
„Siehst du? Da drüben!“
Das Schiff war fremd und riesig. Tausende von uns würden im Inneren Platz finden. Mit weit aufgerissenen Augen betrachtete ich das Grauen „Nein! Was tun sie da?“
„Sie sammeln die Kapseln ein“, kommentierte Lele das Geschehen leise. Ich vermied es, sie anzusehen und fing an, gegen die Scheiben zu schlagen. „Nein!“
„Sie retten uns“, flüsterte sie wieder, scheinbar unberührt.
„Das dürfen sie nicht!“ Erschöpft ließ ich mich auf die Knie fallen.
Irgendwann nahm uns das fremde Schiff auf. Wir stiegen aus und Lele verschwand in der Menschenmasse der anderen Gefangenen. Ich würde sie nie wieder sehen.
Mit uns wurden ein paar Millionen weitere Kapseln geborgen. Die Wesen stellten sich als friedliche Forscher vor. Sie dachten, sie täten etwas Gutes. Dabei erkannten sie nicht, dass sie mit uns den Tod in die ganze Galaxie brachten.
Was wir getan haben? Wir sind Menschen. Wir haben gemordet, geplündert, gefoltert. Wir haben ganze Arten ausgerottet und uns sogar gegenseitig das Leben genommen. Wir ließen unsere Kinder verhungern und ignorierten es, bis alles zerbrach.
Ich, Bonney, wusste von den Bomben und den Kriegen auf der Erde. Doch ich ignorierte das, lebte in meiner eigenen, heilen Welt, wie Milliarden andere Menschen.
Jeder Einzelne von uns trägt die Schuld mit sich. Wir taten das Schlimmste, was ein Volk in diesem Universum tun kann. Wir haben unseren Planeten verletzt. Wir haben die Erde zerstört. Wir haben zugelassen, dass es so weit kommt.
Der Gast, der mir diese Geschichte erzählte, ein junger, hoffnungsloser Bursche, verließ leider viel zu früh meine Bar. So konnte ich nie erfahren, was mit den Menschen weiter passiert war. Und warum seine Freundin Bonney ausgerechnet ein Buch als letzte Erinnerung ausgewählt hatte. Was denkst du? Glaubst du, Bonney hat ihre Zellengenossin jemals wieder gesehen? Dieser Bursche wollte Lele jedenfalls finden, für Bonney.
Man erzählt sich, dass noch heute ein paar dieser Gefängnis-Kapseln vergessen im Universum herumtreiben. Vielleicht machst du dich auf die Suche nach ihnen? Das sollte wirklich mal getan werden!
Geschichte 3: Dimensionssprung
Es ist noch nicht lange her, da kam ein kleines Mädchen völlig aufgelöst in meine Bar. Ihr Name war Ellie. Und Ellie erzählte mir tränenüberströmt etwas über ihre große Schwester, Kiara. Kiara, die Ellie nie beachtete, doch von Ellie vergöttert wurde. Kiara, die immer nur zu Kim aufblickte, der dritten Schwester.
Die drei Schwestern lebten auf einer seltsamen Welt. Drei Kugeln schwebten mitten im Nichts, voll gestopft mit Wohnungen. Auf ihrer Oberseite trugen sie eine unerschöpfliche Energiequelle. Der Platz war endlich, deswegen entsorgte man die Toten einfach ins All. Doch Einigen war ein anderer Weg bestimmt. Ellie erzählte mir eine Geschichte, die so außergewöhnlich war, dass nur die wenigstens sie begreifen konnten…
„Kiara, wach auf“, die Stimme schmerzte in ihrem Kopf. Sie versuchte die Augen zu öffnen, doch das Licht versetzte ihr einen Stich. Zu hell. Sofort erkannte Kiara, dass etwas schief gelaufen war.
„Du musst in den Zug“, hörte sie wieder eine Stimme sagen, eine sehr junge, helle Stimme.
„Was? Kim, bist du das?“, etwas benommen begann sie sich aufzurichten. Nein, es war Ellie, die sich jedoch sofort umdrehte und den Raum verlies. Erinnerungen durchschwemmten Kiara plötzlich. Ihre Schwester Kim war vom Dach gefallen. Langsam kam Kiara zu sich. Sie hatte ihr folgen wollen, denn ohne Kim gab es kein Leben. Aber scheinbar war ihr Versuch gescheitert.
„Kiara, der Zug wartet“, sagte jemand anderes. Diese Worte kamen von einem der Wächter! Ihre Stimmung änderte sich schlagartig. Die Wächter der Außentore! Kiara war sich nicht sicher, ob sie erleichtert sein sollte. Ihr Selbstmord war gescheitert. Eine brutale Entscheidung, die aktuelle Zeit zu verlassen. Doch jetzt gab es einen anderen Weg. Vielleicht einer, der zu Kim führte.
Kranke Menschen durften mit dem Zug reisen. Auch Mörder, Diebe und andere Kriminelle, die niemand in den drei Städten haben wollte. Menschen mit Problemen konnte man in den 3 Städten nicht gebrauchen. Deswegen wurde Kiara in den Zug geschickt.
Der Zug fuhr einmal in der Woche und nahm alle Unerwünschten mit. Er war eine Konstruktion höherer Wesen. Durch ihn wandelte sich Zeit zu einer räumlichen Dimension.
Kiara stieg ein. Noch ein letzter Blick zurück, gleich würde er die Stadt verlassen, Richtung All. Richtung Anderswo. Einem Ort außerhalb des uns bekannten Universums.
Jeder der in dem Zug fuhr, drang in einen übergeordneten Raum ein. Dies war eines der ersten Dinge, die Kiara in der Schule gelernt hatte. Für jemanden, der in einer 4-dimensionale Welt lebte und nur die 3 Dimensionen begehen konnte, war dieser 5-dimensionale Ort unverständlich. „Der Ort, wo die Toten hingehen“, so hatte ihn Kim immer genannt.
Während der Reise änderte sich die Einheit der Zeit zu einem Raumabschnitt, in dem Vergangenheit und Zukunft begehbar waren, wie eine Strecke. Und eine neue, unbekannte 5. Dimension ersetzte die Zeit.
Noch etwas benommen von ihren Verletzungen spürte Kiara einen Ruck, als sich der Zug in Bewegung setzte. Das letzte was sie sah, bevor der Zug die Dimension der Lebenden verließ, waren die Augen von Ellie. Da stand sie, draußen am Bahnsteig. Die dritte Schwester. Die kleinste von ihnen. Die Schwester, die immer im Hintergrund stand. Die Schwester, die Kiara immer vergessen hatten. Die Schwester, die nicht Kim war. Und sie besaß die traurigsten Augen von allen. Ihr Blick durchdrang Kiara wie ein Schuss, mitten ins Gesicht.
Traurig, nicht wahr? Kannst du dir vorstellen, dass mich diese Geschichte nicht berührt hat? Nein? Naja, es ist eben so. Ich bin ein Roboter… Du kannst die 5. Dimension vielleicht nicht verstehen, aber ich kann es. Und ich war dort. Ich traf Kiara. Es geht ihr nicht gut. Kim ging weiter nach oben, in die 6. Dimension, verrückt was? Kiara hat sie nicht mehr getroffen. Aber Ellie lebt noch, ganz sicher. Sie war nicht in der 5. Dimension. Ellie ist noch irgendwo da draußen. Ich frage mich, wie es ihr geht und was sie jetzt macht. Ob sie wohl zurück nach Hause ging? Vielleicht kannst du sie ja für mich finden?
Geschichte 4: Unendlich viele Möglichkeiten
Ich erzähle dir jetzt von drei Männern, die ich persönlich nie traf. Aber ihr Bericht drang durch die Zeit zu mir durch! Das war vor über fünfhundert Jahren. Eine wirklich merkwürdige Botschaft.
Als das Unglück passierte, befand sich Kapitän Nic mit den beiden Spezialisten Sunny und Greg an Bord einer unbekannten Maschine. Die NASA hatte das Ding erst vor kurzem, nahe dem Erdmond, entdeckt. Aus dem Nichts tauchte sie plötzlich auf und alles in ihr sah fremd aus, als würde sie aus einer anderen Zeit stammen. Die drei Männer erhielten daraufhin die Aufgabe, sie zu erforschen.
Mit offenen Augen starrte Greg, der Techniker, auf einige Anzeigen. Seine weißblonden Haare standen zerzaust in alle Richtungen ab und sein Gesicht erschien noch blasser als sonst.
„Was ist passiert?“, fragte Nic. Schnell packte er Greg an den Schultern, um ihn durchzuschütteln. „Sunny, hilf mir, er bewegt sich nicht!“
Sunny, der als Mediziner an der Mission teilnahm, schwebte herbei. „Greg? Hörst du mich?“, vorsichtig besah er sich den Techniker. Ohne ihn war ihre Aufgabe hier sinnlos. „Ich kann nichts feststellen. Seine Augen sind offen. Er atmet noch“, sagte er zum Kapitän gewandt.
„Das sehe ich auch!“, antwortete Nic wütend. Er war für die beiden Männer verantwortlich. „Hat er einen Stromschlag bekommen?“
„Ich denke nicht. Aber wir sollten die Mission abbrechen.“
„Einverstanden. Ich funke die Station an.“ Nic wollte sich gerade umdrehen, als Greg plötzlich langsam den Finger hob und auf einen der Bildschirme vor sich zeigte. Seine Stimme klang nur schwach: „Das… geht… nicht.“
Nic und Sunny folgten seinem Finger.
Entsetzt riss der Kapitän seine Augen auf. „Mein Gott…“
„Was?“, fragte der Mediziner ungeduldig. Er wurde aus den Daten am Bildschirm nicht schlau.
„Die Erde…“, sagte Nic langsam, „…sie ist… weg.“
Es dauerte einige Zeit, bis die drei das Geschehene realisierten. Sie waren die letzten überlebenden Menschen. Ein Gammastrahlenblitz hatte die Erde zerstört, mit ihr alles Leben im kompletten Sonnensystem.
…
Wie sich herausstellte, war die Maschine nicht irdischen Ursprungs. Sie schützte die drei Männer vor den vernichtenden Strahlen. Greg gelang es, einige der Schaltungen zu verstehen. Ein paar Tage später hatten sie den Zweck der Maschine erkannt: Zeitreisen!
Irgendjemand musste vorausgesehen haben, was passieren würde. Das konnte kein Zufall sein. Die Zeitmaschine gab ihnen die Macht etwas zu ändern, das Leben auf der Erde vielleicht doch noch zu retten. Auch wenn sie noch keine Ahnung hatten, wie.
Sie würden zurück in die Vergangenheit und die Menschheit warnen.
…
Einige Tage später war es so weit. Sie hatten die Maschine bis vor die Sonne manövriert und der erste Versuch stand kurz bevor.
„Greg, schneller! Es geht los!“, schrie Nic.
Der Techniker gab die letzten Codes ein. Die Sonneneruption hatte schon begonnen.
Nic schob den Schalter zurück und im Bruchteil einer Sekunde veränderte sich ihre Umgebung.
Schmerzen durchfuhren ihre Körper, die jedoch sofort wieder nachließen.
„Wo sind wir?“, fragte Sunny, noch immer etwas verwirrt von dem Sprung.
„Du meinst wann.“ Nic versuchte sich zu orientieren und stellte die Energieleitung zum Ortungsgeräte neu ein.
„Die Sonne sieht falsch aus“, meinte der Mediziner erneut. Er ließ nicht locker und schaute beunruhigt aus dem Fenster.
Nic antwortete nicht. Natürlich hatte er es bemerkt. Aber dies war definitiv ihr Stern! Sie warteten auf Gregs Meldung. Es dauerte nicht lange.
„Ich hab sie erfasst! Sie ist da!“, schrie er, hinter ein paar Kabeln auftauchend.
„Bekommst du Bilddaten?“, fragte Nic unruhig.
„Ja, ich zoome ran.“
Und da war sie. Die Erde, knapp 8 Lichtminuten von ihnen entfernt. Ein vertrockneter, brauner Ball schwebte auf dem großen Bildschirm. Neben ihm zwei kleinere Brocken, bei denen es sich einst um den Mond gehandelt hatte.
Bist du neugierig, was mit den drei Männern geschehen ist? Ach, dich interessiert wohl eher, wann dieser Gammastrahlenblitz deinen Planeten zerstören wird. Tja, Pech gehabt! Ich kann es dir nicht sagen, bei der Botschaft fand sich keine Zeitangabe. Finde es doch selbst heraus! Was würdest du mit so einer Zeitmaschine machen? Also wenn du sie steuern könntest. Die drei Männer scheinen sie ja nicht im Griff zu haben. Ich hoffe aber, dass ich sie irgendwann treffe, die haben bestimmt unendlich viele Geschichten zu erzählen!
Geschichte 5: Die geheime Elite
„Wollt ihr wissen, was mit euren Steuergeldern wirklich passiert?“
„Halt die Klappe.“ Herablassend packte mich der Mann und zog mich von den anderen Gästen weg.
Ich hatte es so satt ständig als Lügner zu gelten. Ich sagte immer die Wahrheit! „Es landet bei einer Frau, die sich seit über 2 Wochen nicht mehr gewaschen hat!“
„Du bist betrunken. Hör auf mit deinen Märchen, dumme Göre.“ Er schob mich in ein Zimmer.
„Dad, ich brauche ein Bad.“
„Du brauchst ein Bett. Schlaf dich aus und morgen bist du verschwunden!“
„Darf ich nicht mal mehr meine Familie besuchen?“
Das Krachen der Tür war meine Antwort. Da stand ich, allein. Wie gewohnt.
Ich war nicht betrunken, war ich nie. Nur enttäuscht. Enttäuscht zu erfahren, nicht auf den Geburtstag meiner Mutter eingeladen worden zu sein.
„Pssst, Esa, bist du da drin?“ Ich erkannte die Stimme sofort und schon schlüpfte eine kleine Gestalt in den Raum. „Esaaaaa! Wo warst du so lange?“ Mein kleiner Bruder stürzte auf mich zu.
„Rio!“ Ich hob ihn hoch, drückte ihn und setzte ihn dann auf das Bett.
„Iiii, du stinkst! Erzählst du mir von den Aliens?“
„Wo hast du denn das her?“ Es entsetzte mich, doch gleichzeitig stahl sich ein Lächeln auf mein Gesicht. Wenigstens einer in der Familie, der mir zuhörte. Auch wenn es sich für ihn nur um Gute – Nacht – Geschichten handelte.
„Ich weiß es eben.“
„Du bist ja schlau.“
„Na klar, du machst sie kaputt, bäm! Mit deinem Raumschiff, wuuuusch!“, lachend wedelte er mit den Händen durch die Luft.
„Nein, ich zerstöre sie nicht. Ich rede mit ihnen.“
„Ohh, wie langweilig.“
Es war schon dunkel, als ich auf Zehenspitzen das Haus meiner Eltern verließ. Rio schlief friedlich in seinem Bett.
So schnell ich konnte, rannte ich zum Wagen, der mich zum Raumschiff bringen sollte. Der Fahrer trat in die Pedale, ehe ich richtig saß. Traurig blickte ich aus dem Fenster zurück. Sie würden es nie begreifen. Sie durften es gar nicht. Es war verboten. Ich war ein Mensch, der offiziell gar nicht existierte. Ein Mitglied der Elite.
Schon morgen würde ein neuer Auftrag reinkommen. Aber jetzt wartete erst ein heißes Bad auf mich. Naja nicht gleich, erst in ein paar Stunden dann, oben auf der Station. Aber ich freute mich sehr darauf. Ich hatte mir dieses Bad verdient. Ich rettete heute über 9 Milliarden Menschen das Leben. Das mache ich fast jeden Tag. Und niemand hier wird es je erfahren.
Ich habe es erfahren. Ist ja logisch, sonst könnte ich dir das jetzt nicht erzählen. Aber ich verrate dir nicht, woran Esa arbeitet. Das musst du schon selber herausfinden! Wer weiß, vielleicht hat sie dieses Bad ja gar nicht verdient? Eins steht fest, Esa hat einen sehr seltsamen Job. Aber aus Rio wird ein richtiger Held, das darfst du mir glauben, er war letzte Woche hier bei mir! Naja, eigentlich ist er ausgerissen von zu Hause. Aber das ist eine andere Geschichte…
Geschichte 6: Wir sind fünf
Die nächste Geschichte ist ganz besonders. Sie ist kurz und ereignislos. Aber sie gibt mir Hoffnung! Und sie entspricht zu hundert Prozent der Wahrheit, da sie mir von vielen anderen Gästen bestätigt wurde. Immer wieder erzählt man sich von diesen Maschinenstädten, weit außerhalb der Gana Galaxie im 9. Sektor…
„Rückmeldung“, gab Einheit drei durch.
Unsere Rückmeldung kam schnell: „Einfahren!“
Die Station nahm das dritte Schiff auf. Nummer drei von fünf beweglichen Städte Raumschiffen, die zusammen eine einzigartige Konstruktion, bildeten.
Unsere Führereinheit steuerte die Stadt in ihren Hangar. Mit ihr eine halbe Million Erdenmenschen. Wir hatten Einheit drei sehnsüchtig erwartet, unverzüglich verlangten wir nach Meldung.
Und sie kam schnell: „Die Sonne besitzt keine Planeten.“ Enttäuscht lies Stadt Nummer drei die Motoren auslaufen.
Wir fühlten mit ihr. Ihr Erdenmenschen denkt wohl, dass wir das nicht können, aber wir waren viel mehr als Maschinen. Wir fühlen. Und wir hatten Hunger.
Wir befanden uns weit abseits des galaktischen Lebens. Ein Blick aus unserer Station zeigte uns die nächste Spiral-Galaxie. Ein Wirbel aus Blau und vielen, vielen Sternen. Man könnte richtig neidisch werden auf die Welten und Wesen dort drin.
Wir mochten das Gewusel um uns herum. So wie wir euch mochten. Aber ihr seid so wenig in uns und hier draußen konnten wir nicht mal eben so Besuch bekommen. Wir führten ein sehr einsames Leben.
Es war uns eine Freude, euren Planeten zu entdecken. Ihr wart ja so neugierige Forscher und seid einfach in uns rein gegangen. Dabei kanntet ihr uns gar nicht. Ihr müsst euch erschrocken haben, als wir einfach abhoben. Aber wenn man voll ist, muss man eben weiter ziehen und den nächsten Planeten suchen. Zu den nächsten Lebewesen, um unseren Hunger zu stillen. Denn leider verbrauchen wir euch schneller, als ihr euch fortpflanzen könnt.
Du solltest diesen Städteschiffen nicht zu nahe kommen! Warum? Na, sie essen Lebewesen, sie verwenden sie als Energiequelle. Jedes der fünf Schiffe besitzt diese riesige Kugel, eine reine Energieform aus Menschen und auch anderen Wesen gemacht. Sie brauchen euch, um zu überleben. Ob es wohl eine andere Möglichkeit dafür gibt?
Doch was interessiert es mich, wie es den Menschen dort in den Schiffen ergeht? Es ist deine Aufgabe, dir darum Gedanken zu machen! Du kannst jederzeit losstürmen und dich auf die Suche nach diesen Städten machen. Es gibt viele Geschichten über sie, da immer wieder Wesen aus ihnen entkommen sind. Für mich ist das allerdings nicht wichtig! Hast du nicht verstanden? Sie fühlen! Sie sind Maschinen und sie fühlen! Kannst du dir das vorstellen?
Geschichte 7: Der Aufzug
Mit unruhigem Blick starrte ich aus dem Fenster. Das Taxi war spät dran. Warum zum Teufel fuhren diese dummen Autos nicht schneller? Ich hasste Autos. Sie erinnerten mich an mein altes Leben. Als er noch da war.
Manchmal malte ich mir aus, wie es sein würde, wenn er plötzlich vor mir stünde. Sein Blick würde mich durchbohren. Wäre er überrascht? Wütend? Traurig? Wie immer ganz sicher undurchschaubar. Im nächsten Moment könnte alles und nichts passieren. Würde er mich angreifen? Schlagen? Oder anschweigen? Wahrscheinlich würde er an mir vorbeigehen, ohne mit der Wimper zu zucken.
Mein Fahrer schielte kurz auf meine Füße, die unbewusst auf den Boden des Wagens trommelten.
„Tut mir leid.“
Genervt starrte er wieder auf die Straße. Ein Bus überholte uns.
„Können wir nicht schneller fahren?“
Er goss sich ein Glas dieser eklig grünen Flüssigkeit ein, die zurzeit total im Trend lag. Es kam mir vor wie Stunden, als er sie ganz langsam und genüsslich austrank.
„Nein.“
Ein normaler Mensch wäre ausgerastet. Doch ich wurde nicht laut. Ich rede nicht mehr viel. Es gab nur eine Person, der ich mein Vertrauen geschenkt hatte. Vor der ich laut werden konnte. Und das war der größte Fehler meines Lebens gewesen. Und doch hörte ich noch immer seine Stimme in meinem Kopf. Ich würde sie unter Milliarden wiedererkennen.
Mist! Wegen diesem scheiß blöden Taxifahrer würde ich den Aufzug verpassen! „Ich muss ihn erreichen. Es ist die letzte Fahrt auf die Raumstation für diese Woche“, sagte ich leise.
Der Fahrer ignorierte mich. Das kam oft vor, dass die Leute mich überhörten. Es erinnerte mich ein wenig an ihn. Er hatte mich damals im Stich gelassen. Er hatte mich plötzlich ignoriert. Ging mir aus dem Weg und lehnte es ab, auch nur ein Wort mit mir zu sprechen, scheinbar grundlos. Jedenfalls wusste ich nicht, warum er das tat.
Verdammt! Reiß dich zusammen! Er ist weg! Schon seit Jahren! Ich schloss die Augen. Wieso musste ich jede freie Minute an diesen Idioten denken?
Endlich hielt das Taxi am Abflughafen.
„Du bist unverantwortlich!“, empfing mich ein Mitarbeiter unfreundlich. Er holte mein Gepäck aus dem Wagen, um es zur Teleportabteilung zu bringen. Ich hastete die Stufen hoch zu einem gegenüber liegenden Gebäude. Es wäre so viel einfacher, wenn man lebende Wesen auch teleportieren könnte.
Drinnen brachte mich die neue Rolltreppe nach oben, schneller als ich hätte laufen können. Noch eine Ebene, ich konnte kurz verschnaufen.
Er war der erste Mensch gewesen, der mich umarmte. Der erste Mensch, der mich annahm, so wie ich war. Ich hätte wissen müssen, dass es nicht sein durfte. Ich hatte niemals Freunde gehabt. Es war nicht richtig. Wir waren nie ein Paar gewesen und doch bedeutete er mir mehr, als ein Ehemann einer Frau oder als ein Vater seiner Tochter jemals bedeuten konnte. Wir waren keine Geschwister, trotzdem war er wie der große Bruder, den ich mir immer gewünscht hatte. Mein bester und einziger Freund.
Vergiss ihn! Vergiss ihn! Vergiss ihn! Die Rolltreppe erreichte die oberste Ebene.
Meinen Ausweis vorzeigend rannte ich am Schalter vorbei. Der Eingang lag erkennbar am Ende des Ganges. Sie waren dabei, den Aufzug zu schließen.
„Nein! Wartet, ich muss da rein!“ Meine ganze Lunge brannte, das musste ein neuer Rekord sein. Schnell drückte ich mich durch die Kontrolle zu den Schleusen.
In dem Moment, als mein vorderster Zeh die Schwelle überschritt, spürte ich seine Anwesenheit. Noch lange, bevor ich ihn sah, wusste ich, dass er es war. Mein Herz erkannte ihn immer.
Als ich erschrocken den Kopf hob und ihn erblickte, rastete die Tür ein. Fest. Unveränderbar. Für vier Stunden. Eingeschlossen. Mit ihm. In einem gläsernen Aufzug. Auf engstem Raum.
Bestimmt interessiert dich jetzt, was im Aufzug passiert ist. Nun, ich hab keine Ahnung. Sie hat es mir nie erzählt. Sie hat mir auch nie erzählt, warum dieser Kerl da drin war. Vielleicht hat sie das nie herausgefunden? Aber vielleicht kannst du das ja für mich herausfinden? Tust du das bitte, ja?
Geschichte 8: Sabotage im großen Stil
Wusstest du, dass es Leute gibt, die Dinge in ihren Träumen vorhersehen können? Ja, wirklich! So einer war vor ein paar Monaten hier in meiner Bar. Er hat sogar vorhergesehen, dass du jetzt hier sitzt, in meiner Bar! Was für ein interessanter Bursche… Er hieß übrigens Cinin.
Das Telefon klingelte.
„Ja Onna. Sie bringen es in den Nachrichten. Schon den ganzen Tag“, sagte ich, noch ehe sie mich begrüßen konnte. Gewohnheitsmäßig hielt ich den Hörer weit von mir gestreckt und starrte gedankenverloren auf den Fernseher.
Ihre laute Stimme drang sogleich durch den Hörer. „DAS IST SCHEISSDRECK! Es ist was passiert!“
„Nur drei Schiffe. Drei“, murmelte ich. Wissend, dass sie mich nicht verstehen würde. Onna arbeitete auf einer astronomischen Forschungsstation, für sie zählten nur kalte Logik und Berechnungen.
„Was faselst du da? Er muss vorbeigehen! Wir haben das berechnet!“
„Alle tot.“ Es fiel mir schwer, mich auf ihre Worte zu konzentrieren, zu stark war der Traum der vergangenen Nacht in meinem Kopf.
„Niemand ist tot! Cinin, hörst du mir überhaupt zu?“, fragte Onna jetzt wütend.
Natürlich, aber was sollte ich schon sagen? Es gab keine Erklärung. Es gab keine Worte, die dem Unglück gerecht wurden. Gerecht werden würden. Billionen von Lebewesen… einfach…
„Das stimmt was nicht, es ist falsch!“, schrie Onna wieder.
„Er wird einschlagen“, sagte ich sachlich.
„NEIN!“ Ich hielt den Hörer wieder weiter weg von mir und schaltete den Fernseher aus, während sie weiter sprach. „Die Berechnungen stimmen, ich bin alles durchgegangen!“
Wie sollte ich es Onna nur begreiflich machen? „Wir müssen evakuieren, bevor es zu spät ist.“
„Verdammt, Cinin, kapierst du denn nicht? Jemand hat ihn manipuliert! Jemand hat den Asteroiden umgelenkt! Eine andere Erklärung gibt es nicht!“
„Sabotage? Aber das ist doch jetzt egal. Wir können es nicht ändern.“
„Oh doch! Sie haben vor ein paar Minuten die Raketen gestartet! Es muss funktionieren.“
„Verzögerung.“
„Was? Hör mit diesem Traumgefasel auf und drück uns gefälligst die Daumen! Wir lenken das Ding um!“
Ich legte auf. Das würde Onna noch wütender machen. Aber ihre Wut traf mich nicht mehr. Mir hatte noch nie jemand geglaubt. Schließlich war ich ein niemand. Und doch trafen meine Träume immer ein. Das Schlimmste war, dass man nie etwas ändern konnte, dass ich wusste was passieren würde und einfach machtlos dagegen war!
Es klappte. Unsere Raketen lenkten ihn um und wir gewannen ein paar weitere Stunden. Die Welt jubelte. Zu früh. Der Saboteur schlug ein zweites Mal zu. Einmal flog der Asteroid auf seiner Bahn um die Sonne, dann kam er erneut auf unseren Planeten zu und das Schicksal nahm seinen Lauf. Die Raketen zum Umlenken hatten wir ja bereits verbraucht. Aber es gab Raumschiffe. Nicht viele. Drei Stück. Wie in meinem Traum. Sie boten Platz für etwa 2000 Lebewesen. Wer würde mitfliegen?
Cinin war jedenfalls mit an Bord. Er fragte mich nach Onna und ich sollte nach ihr Ausschau halten. Vielleicht kommt sie hier vorbei? Es ist leider nicht sicher, ob sie sich unter den 2000 geretteten befand. Aber eins ist sicher, Cinin wird diesen Saboteur finden, der so viele Leben auf dem Gewissen hat. Solltest du ihn irgendwann treffen, musst du mir unbedingt erzählen, ob er es geschafft hat! Ich frage mich, welche Gründe dieser Saboteur wohl hatte, so etwas zu tun. Schrecklich oder? Aber leider empfinde ich keine Wut darüber. Ich spüre nichts. Wie fühlt sich Wut an? Kannst du es mir beschreiben?
Geschichte 9: Eine wichtige Aufgabe
Stell dir vor, es gibt Raumschiffe, die komplett mit Wasser befüllt sind! Darin leben Wasserwesen. Ein gewisser Jona fand etwas mehr über sie heraus. Aber erzählt hat mir diese Geschichte Jenn, seine Schwester. Ganz gehetzt kam sie zu mir und wollte nur ein Glas Wasser. Schien so, als wäre sie auf der Flucht. Trotzdem konnte ich ihr ein paar Worte entlocken…
„Jona, was machst du hier?“, fragte ich erschrocken, als mein Zwillingsbruder in die Wohnung stürmte.
„Wissen ist gefährlich Jenn.“ Er schloss das einzige Fenster im Zimmer und zog mich zu Boden. „Wir haben sie erst vor kurzem entdeckt. Durch sie gelang uns der Durchbruch. Jahrelang erforschten wir das Material, seit die Blubbs in dieser unterirdischen Höhle entdeckt wurden-“ Er hielt inne.
Durch die Rolloschlitze erkannte ich blinkendes Licht. Ein Wagen fuhr draußen vorbei. Von weitem kam ein Alarmgeräusch näher.
„Wirst du gesucht?“
Mein Bruder ging nicht auf die Frage ein, sondern zog ein kleines Gerät mit Bildschirm und ein paar Tasten hervor. „Schau dir das an!“
Und ich sah die Wesen. Außerirdische, die durch Wasser schwammen. „Was tun sie da?“, flüsterte ich und starrte ungläubig auf den Bildschirm.
„Sie sammeln Blubbs.“ Seine Stimme war jetzt so leise, dass ich ihn kaum noch verstand. Verstohlen sah er sich um. „Das sind Wasseratmer vom Planeten Kapri. Sie besitzen sogar mit Wasser gefüllte Raumschiffe!“
„Das ist also das geheime Projekt“, murmelte ich. Er zeigte mir tatsächlich etwas von seiner Arbeit. Das kam mir falsch vor. All die Jahre brachte keiner ein Wort darüber aus ihm hervor.
„Interessiert es dich gar nicht, was Blubbs sind?“
Ich schwieg und betrachtete fasziniert die wunderschönen Wesen am Bildschirm. Irgendetwas stimmte nicht. Mein Bruder war immer stolz auf diese Arbeit gewesen, aber er erzählte nie etwas darüber. Alles unterlag strengster Geheimhaltung. Bis jetzt.
„Also, als Blubbs bezeichnen wir kleine Blasen von ölartigem Material in Wasser. Es hält ihre Flüssigkeiten im luftleeren Raum stabil und…“
„Stopp! Warum erzählst du mir das?“
„Weil…“, Jona zögerte kurz, „… Jenn, es ist wichtig, dass die Informationen nicht verloren gehen.“
„Warum sollten sie verloren gehen?“
„Meine Kollegen sind tot. Alle Wissenschaftler, die am Projekt beteiligt waren, wurden ermordet!“
„Was? Das… Aber… Jona, warum?“
Wieder ignorierte er die Frage. „Du musst sie warnen, Jenn. Unsere Regierung plant einen Übergriff. Sie wollen an die Blubbs ran kommen.“
„Ich soll zu diesen Wesen?“
„Ja, genau!“ Er stand auf und blickte durch die Rolloschlitze.
„Jona, warum ich? Warum erzählst du mir das?“, fragte ich wieder.
„Ich kann es nicht mehr.“ Mit diesen Worten löste er sich auf.
Er war nur ein Hologramm. Eine letzte Nachricht an mich.
Ich frage mich, warum jeder hinter diesen Blubbs her ist… Hoffentlich ist Jenn nichts passiert. Sie redete ständig davon, dass man sie umbringen wollte. Und von dieser wichtigen Aufgabe und dass ich bloß niemandem von ihr erzählen sollte! Oh… jetzt hab ich es ja doch getan. Du bist aber keiner von diesen Regierungsungeheuern, nein? Jenn ist eine nette Frau. Wenn du sie ermorden willst, muss ich dich leider eliminieren. Allerdings könnte sie sicher Hilfe brauchen, sie muss doch diese Wasserwesen warnen. Du wolltest doch sicher schon immer mal diese Blubbs erforschen oder? Natürlich wolltest du das! Na dann los, reise ihr hinterher!
Geschichte 10: Traum oder Wirklichkeit
Pass auf, jetzt kannst du was lernen! Einem Vorgesetzten sollte man nicht auf den Kopf schlagen. Wirklich nicht, glaub mir, ich habs ausprobiert. Aber er wurde dann ganz böse und hat versucht mich zu zerlegen. Dabei wollte ich nur einen Programmfehler beheben, weil er eine falsche Entscheidung traf. Bei manchen Maschinen klappt das doch auch so! Man schlägt drauf und sie funktionieren wieder. Woher soll ich wissen, dass man das bei lebenden Wesen nicht machen darf? Natürlich konnte ich danach nicht zulassen, dass mein Boss mich zerlegt. Darum zerlegte ich ihn. Und jetzt gehört die Bar mir ganz allein. Darüber hab ich mich sogar fast gefreut! Wenn ich nur Freude empfinden könnte… Aber einmal kam jemand namens Lian in meine Bar und sie hat auch einen Vorgesetzten geschlagen! Dafür trug er allerdings auch selber die Schuld, er hätte sie eben nicht einsperren dürfen…
„Sie kommen!“, schrie Lian. Ihre Augen waren fest geschlossen. Auf einem Bett liegend zuckte sie unruhig hin und her. Ihre helle Kleidung erinnerte an einen Schlafanzug und lies ihr Gesicht blass, fast geisterhaft erscheinen.
„Wer kommt?“ Die sanfte Stimme des Hypnotiseurs führte sie weiter. Er stand neben ihrem Bett. Stühle gab es in dem weißen Raum keine. Auch keine Fenster.
„Ich spüre sie, sie sind in der Nähe!“
„Wer ist in der Nähe?“
„Geht weg! Ich will nicht! Nein!“
Dr. Allen erkannte, dass er so nicht weiter kam. „Es ist Tag. Du sitzt bequem an einem Tisch. Und du erinnerst dich. Was tust du in so einer Situation?“
„Ich stelle mir vor, wie ich ein Schutzschild aufbaue. Um mich herum. Wo sie nicht durchkommen können.“
„Und hilft es?“
„Manchmal hält es sie ab. Aber sie wissen trotzdem, dass ich da bin.“
„Warum?“
„Wegen dem Sender.“
„Erzähl mir etwas über den Sender.“
„Er ist in mir drin.“
„Wo genau?“
„Weiß nicht.“
„Wie ist er dahin gelangt?“
„Sie haben es getan. Bitte, das helle Licht, es soll aufhören!“
Draußen vor der Tür standen zwei Männer in weißen Kitteln. Sie blickten durch das eingelassene Sichtfenster.
„Wie lange geht das schon so?“, frage der kleinere der beiden Männer. Sein Name war Gerthold Crow und er trug eine dunkle Sonnenbrille. Er war neu und Mr. Henricks hatte die Aufgabe, ihn in seine Arbeit einzuweisen.
„Seit sie hier ist Mr. Crow. Sie spricht oft mit sich selbst.“ Er reichte ihm ihre Akte.
Mr. Crow überflog sie: Patientenbericht Lian Allen. Nummer 394. Status F05. „Wisst ihr, wo die Kühe hinkommen, die von UFOs entführt werden? Ich weiß es! Ich war dort! Es ist so wunderschön!“, las er vor, „Sie schreiben wirklich jedes Wort mit, was sie sagt?“
„Nein, nicht alles. Aber diesen Satz sagt sie öfter.“
„Streichen sie ihn.“
„Warum?“
„Weil er nicht der Wahrheit entspricht.“
„Fast nichts was unsere Patienten berichten, entspricht der Wahrheit. Sie ist verrückt.“
„Nein.“
„Wie meinen Sie das, Mr. Crow?“
„Der Ort, an dem sie war. Er ist nicht schön. Er ist schrecklich.“ Mit diesen Worten setzte der Mann seine Brille ab und Mr. Henricks erkannt die übergroßen, schwarzen Augen, ähnlich denen einer Fliege. Crow war eindeutig kein Mensch! Und Lian Allen war nicht verrückt.
Empfindest du das als gruselig? Wie fühlt es sich an, wenn einem das Blut in den Adern gefriert? Muss doch kalt sein. Und sterbt ihr lebenden Wesen dann nicht, wenn so was passiert?
Lian hat erzählt, das Crow sie aus dieser Anstalt entführte, in ein leuchtendes Fluggerät. Aber Lian entkam ihm. Sie hat ihm auf den Kopf geschlagen, wie ich meinem Boss! Als sie mein Lokal betrat, war sie ganz allein. Lian redete zwar ständig mit einem Dr. Allen, aber ich entdeckte niemanden. Vielleicht war er unsichtbar?
Kurze Zeit später kam dieser Crow hier her, er suchte sie. Aber da war Lian längst verschwunden. Darum ging er auch wieder. Hat wirklich große Augen, dieser Kerl. Und höflich war er auch nicht gerade, ein wenig geheimnisvoll. Bete, dass du ihm nie begegnest! Nur dieser Ort, wo die von UFOs entführten Kühe untergebracht werden lässt mir keine Ruhe. Mach bitte ein paar Fotos für mich, wenn du dort mal hinkommen solltest!
Geschichte 11: Die letzte Wache
Als ich aus meinem Gleiter stieg, traf mich fast der Schlag. Irgend so ein Arsch hatte die Wände der Station rot streichen lassen.
„Hey, die Ablösung ist da!“, schrie ich. Doch Nixon, mein Vorgänger kam mir schon entgegen. Wenn Blicke töten könnten, wäre ich auf der Stelle umgefallen. Doch ich konnte mir die Frage nicht verkneifen. „Was soll der Mist? Als ob es da draußen nicht schon genug Rot gäbe!“
„Das ist die Schuld von Ima, sie war vor mir dran. Faselte etwas von Weihnachten.“ Ohne ein weiteres Wort stieg Nixon in den Gleiter und betätigte die Schleuse. Er schien es eilig zu haben die Station zu verlassen.
Ich stieg die Treppe nach oben und fand die üblichen Post-its vor. Die Wächter schrieben sie, wenn sie sich langweilten. An einem Großteil davon war ich wohl nicht ganz unschuldig. „Dieser Zettel ist gelb.“, stand auf einem. Oder „Drück bloß nicht auf den roten Knopf!“, was natürlich ein Scherz war. Hier waren alle Knöpfe rot.
Ich beschloss, mich von meinem Flug zu erholen und etwas zu schlafen.
Blitzschnell schoss ich hoch. Der Alarm surrte ohrenbetäubend durch die Räume. Im Nachthemd rutschte ich die Treppe nach unten und warf mich vor den Bildschirm, während mein erster Blick nach draußen mir bestätigte, dass sich am schwarzen Loch nichts verändert hatte.
Der Alarm hörte von einer Sekunde auf die andere auf. Ich prüfte die Meldungen. Da war nichts! Absolut gar nichts, was darauf hinwies, dass irgendetwas nicht stimmte. Alle Werte im Normalbereich. Sogar die Strahlungswerte standen etwas unter der erwarteten Menge. Die üblichen Werbemitteilungen von der Erde lagen im Postfach. Nicht mal hier draußen, an diesem abgelegenen Ort, blieb man davon verschont, eine Schande! Ich beachtete sie nicht weiter und ließ mich mit dem Kontrollzentrum verbinden.
„Außenstation Deef 08 an Kontrollzentrum.“
Ein mürrisch dreinblickender Mitarbeiter erschien sofort auf meinem Schirm. „Hier Kontrollzentrum. Ist Ihnen wieder langweilig?“
Ich meldete ihm den Alarm und fragte nach ungewöhnlichen Vorkommnissen. Doch er schien nichts bemerkt zu haben.
„Schicken Sie mir die Daten durch, ich werde sie überprüfen lassen. Und ziehen Sie sich gefälligst etwas an! Nur weil Sie sich am Ende der Galaxis aufhalten, heißt das nicht, dass Sie die Kleidungsvorschriften missachten dürfen!“, schnauzte er mich noch an und schaltete dann ab.
Genervt schickte ich die gesammelten Daten ins Solare System und machte mich dann auf den Weg nach oben, um meine Kleidung zu holen. Ich kam gerade fertig aus dem Bad, als ein kleines Blinken unter dem Monitor mir eine neue Nachricht signalisierte.
Sie enthielt lediglich die Bitte um eine erneute Datenübertragung. Ich konnte mir nicht vorstellen, warum sie die Daten noch mal wollten. Was sollte sich schon ändern innerhalb so kurzer… da fiel mein Blick auf die Werte. Ja, was sollte sich ändern.
„Unmöglich“, flüstere ich erschrocken.
Die Strahlungswerte waren weiter gesunken. Sofort gab ich die neuen Werte durch. Auf die Antwort wartete ich nicht mehr. Schnell warf ich die wenigen Dinge, die ich dabei hatte in meinen Rucksack und brachte sie in die Fluchtkapsel.
Als ich zurück nach oben lief, um noch schnell die letzten Datenkopien abzukoppeln, erkannte ich den mürrischen Mitarbeiter auf dem Bildschirm wieder.
„Wo waren Sie?“, schrie er. „Es entzieht bereits die ersten kleinen Teilchen. Sie befinden sich im Einflussbereich des schwarzen Lochs. Es muss sich ausgedehnt haben, ohne dass wir es bemerkten. Die Messungen ergeben jedoch noch keine Gefahr für Sie.“
„Was heißt das?“
„Das heißt, Sie bleiben wo Sie sind und warten auf die Ablösung.“
„Nein!“
„Das ist ein Befehl.“ Mit diesen Worten verschwand er wieder vom Monitor.
Fassungslos blickte ich nach draußen auf den dunklen Fleck. Diese hirnlosen Affen hatten doch keine Ahnung. Ich musste hier weg, bevor es nicht mehr ging. Aber wenn ich die Fluchtkapsel bestieg, würde mich das den Job kosten. Sie würden mich vielleicht sogar jagen, wegen Befehlsverweigerung.
Mein Blick fiel erneut auf die Werte. Die Strahlung war weiter gesunken. Mein Blick nach draußen ließ mich nicht länger zögern. Ein kleiner Gesteinsbrocken bewegte sich langsam von der Station fort, auf das schwarze Loch zu. Wie Gummi zog er sich in die Länge.
Ich drehte mich um und rannte los. Diese Entscheidung rettete mir das Leben. Als ich mich eine halbe Stunde später in der Kapsel schon weit außerhalb der Station befand, erkannte ich, dass sie sich bereits merklich zu verzerren begann.
Ich lebte. Doch konnte ich es wagen, in meine Heimat zurückzukehren?
Der arme Forscher. Er traute sich nicht mehr nach Hause, dabei hat er so viele nützliche Informationen über das schwarze Loch gesammelt! Kam hier reingestapft mit einem Plakat von seinem Heimatplaneten. Siehst du, dort drüben hängt es jetzt, sein Gesicht! „Wanted“ steht drauf und eine hohe Summe. Er faselte etwas von verletzter Ehre und Verpflichtungen. Ich stopfte ihm was zu Essen in den Mund und schickte ihn dann wieder fort. Nicht dass es mich stört, hier gesuchte Verbrecher zu bewirten, aber mit seinem Gejammer vertrieb er mir die anderen Gäste!
Es hätte auch seine Kollegen treffen können. Wie die wohl darüber denken? Frag sie doch gleich mal selbst. Schau, da drüben kommt Ima. Sie ist oft hier in der Bar und liebt meinen blutroten Ikkaifrucht–Drink!
Geschichte 12: Rache
Dree saß in einem dunklen Raum, gefesselt, auf einem Stuhl.
„Warum hast du das getan?“, fragte Alex. Er hatte das Pech, den Gefangenen verhören zu müssen.
„Weil ich es kann“, trotzig blickte er Alex an. Er meinte es eigentlich nicht ernst, doch Alex schien ihn ernst zu nehmen.
„Was dachtest du dir dabei?“
Dree starrte ihn finster an und schwieg. Was brachte es, zu reden? Alex glaubte ihm nicht. Und auch niemand sonst tat es.
„Du hast 56 Menschen getötet!“, schrie Alex jetzt. „Ich will einen Grund!“
Doch Dree grinste nur. Ein unheimliches Grinsen, das Alex zurückschrecken ließ.
„Du weißt, was das heißt. Willst du nicht vorher dein Gewissen erleichtern?“
„Nein.“
„Du-“, Alex brach ab und begann aufgebracht im Raum hin und her zu gehen. „Es waren Frauen darunter!“
Dree ließ ihn nicht aus den Augen. Einen letzten Versuch war es wert, er würde hingerichtet werden „Ich war es nicht.“
„Es gibt Beweise!“
Dree war es leid, sich zu verteidigen. „Das ist nicht wahr!“
„Es gibt Fotos!“
„Die sind gefälscht! Und wer soll sie bitte gemacht haben, wenn niemand an Bord überlebt hat?“
„Sag du es mir!“, schrie Alex wieder.
Es hatte keinen Zweck. All seine Versuche, jemanden von seiner Unschuld überzeugen, waren sinnlos. Das hatte er jetzt von seiner Hilfe. Sein ganzes Leben waren immer die anderen wichtiger gewesen. Tu dies und tu jenes. Immer wollten alle seine Hilfe. Und er half. Immer gute Laune verbreiten. Alles tun, um andere voranzubringen. Das wurde verlangt. Und jetzt hatte er es wieder getan. Das Lüftungsventil war beschädigt worden. Er hatte sich einen Raumanzug geschnappt. Er riskierte sein Leben beim Versuch, es zu reparieren. Hätte er es nicht getan, wären sie doch auch gestorben. Während er daran herumschraubte, passierte das Unglück. Jemand musste es manipuliert haben. Jemand musste weitere Ventile verschwinden lassen haben. Und jemand musste ihm bewusst diese Verbrechen untergeschoben haben!
„Wie kann man so grausam sein? Verdammt, Vakuum, das ganze Raumschiff! Sie sind alle erstickt!“
„Nein, Gefrierbrand. Die Körperflüssigkeiten beginnen zu-“
„Das will ich gar nicht wissen! Dree! Du warst nie so! Wieso verdammt?“
Es war nicht seine Schuld. Er hatte nie etwas Negatives getan und immer versucht, es anderen recht zu machen. Jetzt wurde er plötzlich selbst zum Opfer. Das war nicht fair. Und Fairness war sein oberstes Prinzip! Deswegen würde er sich jetzt rächen. Das war fair. Alle guten Taten ausgleichen, die er all die Jahre sinnlos verschwendet hatte.
„Deine Hinrichtung beginnt in einer Stunde. Eine Stunde, die du nutzen könntest!“
Kein Dank. Keine Anerkennung. Sein Entschluss stand fest. Die Dinge rückgängig machen. Für alles andere war es jetzt sowieso zu spät.
„Nenn mir den Grund!“
Diesmal hob Dree den Kopf und sah Alex direkt in die Augen. „Ich nenne dir den Grund für das, was jetzt kommt. Gerechtigkeit.“
Im selben Moment explodierte die Station. Mit ihr Dree. Mit ihr Alex. Mit ihnen über hundert weitere Soldaten und Wissenschaftler.
Du fragst dich jetzt sicher, wie diese Geschichte zu mir gelangte, oder? Tut mir leid, das darf ich dir nicht sagen. Das ist nämlich streng geheim, ja so ist das. Streng dein Gehirn an und versuch es doch herauszufinden! Da kommst du sicher nie drauf!
Wie muss das Leben von Dree verlaufen sein, um so etwas zu tun? Er wurde sicher oft enttäuscht. Wenn dir der Geist von Dree begegnen sollte, frag ihn unbedingt danach. Aber sei vorsichtig, Dree ist wirklich ein gefährliches Wesen! Er lebte nach dem absoluten Prinzip der Gerechtigkeit. Das schließt Rache mit ein. Lügen mit Lügen. Tod mit Tod. Ich kann seine Geschichte gut nachvollziehen, anders als die meisten. Sein Handeln ist logisch oder was denkst du?
Epilog
Ich bin es, Robo-Einheit B340. Erinnerst du dich an mich? Der Roboter mit dem lebendigen Gehirn.
Und du sitzt ja immer noch hier, in meiner kleinen Bar. Da hast du ja viele Geschichten meiner Gäste gehört. Aber ich kenne noch immer nicht deine. Eine Geschichte musst du hier lassen. Los, los, erzähl! Mein Speicher bietet noch viel Platz!
Weißt du, was das Schlimmste hier ist?
Ich fühle nichts. Ich sehe die Gäste, wie sie aufgeregt plaudern und mir ihre emotionalsten Erlebnisse berichten. Aber ich spüre sie nicht. Ich bin immer noch ein Roboter.
Und doch ist da dieser klitzekleine Funke an Hoffnung. Einmal zu lachen. Einmal zu weinen, traurig zu sein. Wütend zu werden. Ich warte auf die richtige Geschichte, die diese Emotionen in mir wecken kann. Vielleicht ist es deine?
Nachwort
Ich hoffe, dass dich mein Geschichtensammler etwas dazu anregen konnte, selbst kreativ zu werden. Das war Ziele dieser Geschichte(n). Wenn du magst, kannst du auch dazu beitragen, sie zu erweitern. Darüber würde sich B340 sehr freuen! Schreibe ihm deine Geschichte auf oder zeichne ihm deine eigenen Bilder dazu!