Ideen zur Motivwahl
Bevor es an die Farben geht, braucht man (im Normalfall) ein Motiv. Es gibt zwei Methoden zu zeichnen:
- Man fängt sofort mit den Farben.
- Man erstellt davor eine Skizze.
In meinem Tutorial gehe ich davon aus, dass eine Skizze zugrunde liegt, obwohl ich die erste Methode auch oft verwende. Folgendes Motiv wirst du am Ende dieses Tutorials in 28 Schritten mit detaillierter Beschreibung verfolgen können, wie es Farbe erhält:
Anmerkung: Outlines kommen bei mir eher selten vor und wenn, dann mache ich sie meist im Nachhinein, nach der Farbgebung. Fühle dich davon nicht abgeschreckt, du kannst das natürlich auch anders machen. Die Tipps in diesem Tutorial können dir trotzdem helfen.
Da es sich um ein Farbgebungstutorial handelt, werde ich das Thema Bildaufteilung/Komposition nicht weiter vertiefen. Es geht hauptsächlich um Farben. Um etwas farbig zu machen, ist vorher eine Idee hilfreich, was man überhaupt zeichnet. Also denk dir etwas schönes aus und fertige eine Skizze davon an.
Du hast keine Ideen? Dir fällt nichts ein? Dann schau dich doch einfach mal im „Theme Art“–Projekt um, dort findest du viele Vorschläge und Anregungen, was du zeichnen könntest.
Fertige mehrere Skizzen von deinem Motiv aus verschiedenen Blickwinkeln an und wähle am Ende das beste aus, indem du es noch einmal mit sauberen Strichen abpaust.
Pause deine Skizze immer wieder neu ab und verbessere dabei die Stellen, die dir noch nicht so gut gefallen. So lange, bis es perfekt ist.
Technik – Tipps zur Coloration
Drei Dinge sind beim Colorieren besonders wichtig und diese sollte man gut beherrschen:
- Licht/Schatten
- Farbverläufe
- Stimmung
Wie man Licht und Schatten darstellt, ist klar: Licht ist hell, Schatten ist dunkel. Das heißt allerdings nicht immer, dass Licht weiß und Schatten schwarz ist. Stell dir vor, woher die Lichtquelle auf deinem Bild kommt und überlege dir, wo genau das Licht auftrifft, welche Farbe es hat, wie sich dadurch die Farbe des Objekts auf dem es auftrifft ändert.
Farbverläufe sind sanfte, nicht stufenweise Übergänge von einer Farbe in eine andere. Mithilfe von Verläufen kann man nicht nur Schatten darstellen, sondern die Zeichnung plastisch wirken lassen. Je nach Material gibt es andere Methoden, wie man diese Verläufe erzeugt.
Vergiss Gedanken wie „Gras ist grün.“ Oder „Wasser ist blau“. Bevor du auch nur eine Farbe aufs Papier bringst, überlege dir, welche Stimmung du mit deinem Bild rüber bringen möchtest. Welche Lichtverhältnisse, welche Tageszeit und welches Wetter soll dein Motiv zeigen? Das gleiche Bild kann mit verschiedenen Farben etwas komplett anderes ausdrücken.
Hast du entschieden, welche Stimmung dein Bild besitzen soll, versuche dich selbst in diese Stimmung zu bringen, bevor du beginnst. Dies ist zum Beispiel mit dazu passender Musik möglich oder indem du in einer zum Bild passenden Umgebung zeichnest.
Nimm dir ein Foto deiner Wahl, zeichne oder pause es ab und mache es dann farbig. Nimm die Farben, von denen du denkst, sie seien auch auf dem Foto zu sehen. Danach vergleiche die Farben. Leg die einzelnen Stellen nebeneinander. Welche Farben unterscheiden sich und wie unterscheiden sie sich? Probiere Farben aus, die dem Foto mehr entsprechen. Das ganze kannst du auch ohne Foto mit einem realen Motiv machen, aber Bilder zu vergleichen ist immer einfacher. Es geht dabei nicht darum, ein eigenes Motiv zu erschaffen, sondern nur ein Gefühl dafür zu bekommen, wo man welche Farbe hernehmen sollte und das ist nicht immer die, an die man zuerst denkt.
Material für die Coloration
Am besten verwendest du Material, mit dem du gut zurechtkommst. Trotzdem ist es auch schön, immer wieder neues auszuprobieren, vielleicht findest du dabei ja dein neues Traum-Farbgebungs-Werkzeug. Im Folgenden stelle ich euch einiges an Material vor, welches ich verwende.
Farbstifte
Für dieses Motiv benutzte ich Rex-Bunstifte. Das sind die Nachfolger der Marke Fantasy. Sie sind sehr billig, haben für den Preis aber eine gute Qualität. In der Packung sind 36 verschiedenen Farben enthalten. Die Stifte sind nicht zu hart und die Farben ausreichend kräftig. Viele benutzen auch Polychromos oder Prismacolor. Diese sind noch etwas weicher als Rex-Stifte und ihre Farben leuchten sehr stark, dafür sind sie auch um einiges teurer. Am liebsten verwende ich mittlerweile übrigens Albrecht Dürrer Aquarellstifte der Marke Faber Castell, da diese zusätzlich wasservermalbar sind.
Marker
Als Marker nutze ich in diesem Farbgebungstutorial Alkoholmarker der Marke Copic Ciao. Um mit ihnen Verläufe zu erstellen, braucht man etwas Übung und verschiedene Farbabstufungen, aber wenn du den Dreh raus hat, ist es ganz einfach. Das Besondere daran ist ihre weiche, dünne, sehr feine Spitze, die sich fast wie ein Pinsel verhält und am Papier nachgibt. Leider sind die Stifte mittlerweile sehr teuer geworden. Dafür gibt es aber auch viele gute Alternativen.
Wachsmalkreiden
Meine Wahl fiel nach einigen Fehlkäufen auf die hochwertige Marke „Caran d’ache“, genauer gesagt die wasservermalbaren Neocolor II. Mittlerweile sind die Stifte zu meinem Lieblingszeichenmaterial mutiert. Die Farben sind unheimlich stark und stechen heraus, wenn man sie mit anderen Wachsmalkreiden vergleicht. Man kann sie sehr leicht verwischen mit den Fingern. Wenn du sie mit einem nassen Pinsel vermalt, muss du gut aufpassen, da sich die Farben teilweise verändern, plane das also vorher mit ein. Für dieses Motiv verwendete ich weder Pinsel noch Wasser. Ich malte mit ihnen wie mit Farbstiften und drücke mal leicht, mal fester auf, um Verläufe zu erzeugen.
Farben zum Aufhellen
Zum Aufhellen benutze ich einen weißen Gelstift der Stärke 1,0 mm oder weiße Wassermalfarbe. Du kannst aber auch viele andere Farben verwenden. Sogar Deckweiß aus einem Malkasten oder weiße Ölfarbe eignet sich zum Anbringen von Glanzlichtern. Es hängt davon ab, wie lang du möchtest, dass dein Bild haltbar ist und wie viel du bereit bist zu investieren.
Liner
Meistens gibt es bei meinen Bildern gar keine Outlines. Wenn doch, verwende ich meinen Kaligraphiefüller mit schwarzer Tinte oder schwarze Liner der Stärken 0,3 und 0,05.
Andere Materialien
Manchmal benutze ich auch noch andere Materialien wie durchsichtige Nachtleuchtfarbe oder Blattgold, um ein Motiv besonders hervorzuheben. Durch diesen kleinen Extra-Effekt wird das Originalwerk zu etwas Besonderem.
Materialien mischen
Beim mischen der verschiedenen Materialien kommt es darauf an, was du zuerst aufs Papier aufbringst. Marker und Farbstifte lassen sich meist hervorragend aufeinander auftragen. Auf Wachsmalkreiden hält leider nicht mehr viel, weshalb du diese möglichst als letzte Schicht auftragen solltest.
Beispiel Miniaturbild (Farbgebungstutorial)
Für mein Beispiel in diesem Farbgebungstutorial hab ich oben stehende Skizze angefertigt (1) und diese noch etwas überarbeitet (2). Eine wichtige Entscheidung, bevor man anfängt, ist, ob das Bild Outlines besitzen und wenn ja, wie sie aussehen sollen.
Outlines verleihen deinem Motiv mehr Härte. Du kannst so bestimmte Bildbereiche betonen. Keine Outlines lassen das Motiv weicher und realistischer erscheinen. Bereiche ohne Lines treten außerdem mehr in den Hintergrund. Durch den geschickten Einsatz an welchen Stellen du Outlines verwendest und an welchen nicht, kannst du die Tiefenwirkung eines Bildes verstärken.
Der Hintergrund meines Motivs soll weich und sehr tief wirken. Daher habe ich entschieden, im vorderen Bereich schwarze Outlines zu benutzen und auch nur einen Teil zu linen. Ich verwendete dafür einen Copic Multiliner der Stärke 0,05. Da es eine Sammelkarte werden soll, hat mein Motiv auch im Original genau die Ausmaße 6,4 x 8,9 cm. (3)
Die nächste Entscheidung besteht darin, festzulegen, welche Materialien für das Bild verwendet werden. Da ich gerne mische, benutze ich für dieses Beispielmotiv Farbstifte (Rex-Buntstifte), Wachsmalkreiden (D’chrane art, Neocolor II) und Marker (Copic Marker Ciao).
Als Erstes lege ich die Zeit fest (später Vormittag) und aus welcher Richtung das Licht kommt. Daraus ergibt sich außerdem die Farbstimmung des Bildes. In diesem Fall wäre das von oben und eine Mischung aus warmen und kalten Farbtönen.
Mit Farbstiften (grau, hellbraun, sepia) schraffiere ich dann leicht die Felsen, um festzulegen, wo das Gebüsch beginnt und aufhört. (4)
Als nächstes arbeite ich mit dem dunkelbraunen und schwarzen Farbstift auch schon erste Schatten ein. Diese befinden sich vor allem an der Unterseite der Felsausbuchtungen und direkt unter den Büschen, die ihren Schatten auf die Felsen werfen. (5)
Um dem ganzen mehr Farbe zu verleihen, überarbeite ich die Stellen mit Wachsmalkreiden (ocker, braun, schwarz). (6) Das macht die Farben kräftiger und strahlender.
Jetzt zeichne ich die hellen Stellen der Büsche mit Wachsmalkreiden (Zitronengelb) ein (7). Das sind die Bereiche, in denen von oben mehr Licht drauf fällt, sie sollen warm und freundlich wirken.
In den folgenden Schritten verwende ich ebenfalls Wachsmalkreiden und arbeite mich bis zu den Schatten der Büsche durch. Helloliv (8), Dunkeloliv (9) und Umbra Natur für die dunkelste Farbe.
Am Anfang hinterlassen Wachsmalkreiden gerne mal weise Flecken. Aber je öfter man über eine Stelle drüber geht, desto sanfter wird die Farbfläche und mit der Zeit entstehen richtig schöne Verläufe.
Daher gehe ich darüber noch mal mit Zitronengelb, um die hellen Stellen zu verstärken und die Farben besser ineinander zu verblenden (10).
Anschließend zeichne ich den Strand. Der Sand soll gold-gelb werden und ein Gefühl der Wärme vermitteln. Wenn man sich vorstellt barfuß darauf zu gehen, soll man die von der Sonne gewärmten Körchen richtig in Gedanken spüren können.
Um das zu erreichen verwende ich die Wachsmalkreiden gelb, hellorange (für den Übergang) und ocker für die Uferränder (11). Darüber gehe ich noch einmal mit weiser Wachsmalkreide, damit die Farben nicht zu grell ins Auge stechen.
Die beiden Brücken bestehen aus Holz, daher werden sie in Rotbraun, Dunkelbraun und Schwarz gefärbt. (12)
So kleine Details sind mit Wachsmalkreiden immer sehr schwierig. Doch sobald mehrere Schichten übereinander liegen, kann man jeweils bis zu den Rändern die Farbe mit den Fingernägeln wegkratzen, was trotz der dicken Spitzen ein sehr genaues arbeiten ermöglicht.
Für die ersten Spiegelungen im Wasser verwende ich einen dunkelbraunen Farbstift, denn um die Umgebung widerzuspiegeln ist es hilfreich, hier die bereits verwendeten Farbtöne (in meinem Fall die der braunen Felsen) erneut einzubauen. Damit färbe ich dann die Uferränder, den Schatten unter den Felsen und Brücke, so wie Teile des Wasserfalls. Dabei drücke ich nur sehr leicht auf und verwische die Farbe mit den Fingern. (13)
Mit einem weisen Farbstift gehe ich dann über die Hauswände, damit sie hellgrau werden. (Farben des Liners bei den Fenstern vermischt sich mit weiser Farbe).
Für die Dächer verwende ich wieder einen hellorangen Wachsmalstift (14).
Nutze Farben mehrfach für verschiedene Bildbereiche, anstatt zu viele verschiedene zu wählen. Auch rot oder violett wären hier eine Option, doch diese wären neu gewesen. Da orange bereits in meinem Motiv vorkommt, wählte ich diesen Farbton, so wirkt das Gesamtbild am Ende harmonischer.
Jetzt sind die Berge dran. Die Ränder der vorderen fahre ich mit schwarzem Farbstift nach und färbe die Berge dann unregelmäßig dunkelgrau (Farbstift). Darüber kommen dann Schneeflecken, aufgebracht mit einem weisen Gelstift. (15)
Um die Häuser mehr zu betonen, fahre ich einige Stellen (vor allem die Unterseite der Dächer) mit einem schwarzen Liner nach. Das verstärkt die Schatten an diesen Stellen. (16)
Anschließend ist der Himmel dran. Für ihn erstelle ich einen Farbverlauf mithilfe von drei Copic Markern (B93 – Light Crockery Blue, BG000 Pale Aqua, 0 – Colorless Blender), der nach unten hin immer heller wird. (17) Da es sich bei der Unterlage meines Motivs um normales Kopierpapier handelt, saugt es sehr viel von den Stiften weg und der Verlauf wird unregelmäßig. Bei solchem Papier ist es gut, wenn man nur ganz leicht mit den Copic Markern aufdrückt und ganz schnelle Striche zieht.
Um die Unregelmäßigkeiten zu beseitigen, kann man mit Farbstiften nacharbeiten.
In meinem Fall reicht es, die Übergänge mit einem blauen Stift leicht zu schraffieren. (18) Dabei ist es wichtig, nicht zu stark aufzudrücken, sonst erkennt man, dass hier mit verschiedenen Materialien gearbeitet wurde und der Himmel wäre nicht mehr gleichmäßig.
Mein Himmel soll nicht ganz so klar sein und ein paar kleine Wolken bekommen. Dafür gehe ich mit einer weißen Wachsmalkreide drüber. (19) Da das Licht von oben kommt, befinden sich die Schatten der Wolken unten und ich zeichne sie mit hellgrauer und grauer Wachsmalkreide ein. (20)
Im nächsten Schritt verwende ich die Wachsmalkreiden (dunkeloliv, umbra natur), um ein paar Bäume vor den Bergen einzuzeichnen. (21)
Um die ersten Wasserspiegelungen sichtbar zu machen, kann man mit dem Finger über die Farben ziehen und sie in die weißen Flächen des Wassers ziehen. Für weitere Spiegelungen verwende ich die Wachsmalfarben in Hellgrau. Mit diesen zeichne ich die Bergspiegelungen auf der Wasseroberfläche. (22)
Ein weißer Gelstift hilft dabei, klare Abgrenzungen zu schaffen und die Uferränder zu betonen.
Jetzt geht es an die Farbe des Wassers. In vielen Flächen spiegelt sich hier der blaue Himmel wieder. Zum Schraffieren verwende ich daher einen blauen, grünen und hellbraunen Farbstift. (23). Die Schatten im Wasser verstärke ich mit einem rotbraunen Wachsmalstift.
Leider sieht das alles noch etwas strichig aus und es scheinen viele weiße Stellen durch, was man aber leicht ändern kann, indem man mit einem Alkohol Marker drüber geht. In meinem Fall mit einem Copic Marker BG000 – Pale Aqua. Dadurch wirkt die Wasseroberfläche gleich viel weicher (24).
Mein Wasser ist nicht ganz glatt und es werden besonders an den Uferrändern Wellen ersichtlich. Diese verdeutliche ich wie vorher schon im hinteren Bildbereich jetzt auch vorne mit einem weißen Gelstift. (25)
Mit derselben Farbe zeichne ich außerdem Glanzpunkte an Gebüsch und Häusern ein. (26)
Nach unten hin verstärkt sich der Schatten beim Wasserfall. Für diese Darstellung verwende ich einen schwarzen Farbstift. (27)
Fast fertig, jetzt fehlen noch der Feinschliff und das Ausbessern kleiner Details! Mit zwei schwarzen Linern (0,3 und 0,05) zeichne ich nicht nur Schatten an die Häuser, sondern versuche sie auch ein wenig gerade zu rücken. Auch an der Brücke ändere ich kleine Details ab. Zusätzlich verwende ich dafür Copic Ciaos (E37 – Sepia und E35 – Chamois) (28).
Die Antwort ist: Gefühl.
Nein, ich spitze meine Wachsmalkreiden eher selten bis gar nicht. Man fühlt einfach, wo der Stift das Blatt berührt und diese Stelle stellt man sich als Spitze vor. Das klingt vielleicht kompliziert, ist es aber nicht. Es lohnt sich, das einfach mal auszuprobieren.
Natürlich bleibt das Motiv jetzt nicht so, ich schneide es noch zu, klebe es auf Karton und diesen auf einen weiteren Karton, verstärke die Rückseite mit goldenen Rändern und beschrifte sie noch. Das fertige Bild sieht im Original etwas anders aus, als in diesem Farbgebungstutorial, da ich nicht jeden Scanschritt bearbeitet habe. Mein Scanner frisst ja liebend gerne Farbe.
Hier kannst du dir noch eine dem Original angeglichene Version des Bildes ansehen:
Edit 09/2019: Bitte beachte, diese Karte stammte von 2012 und meine Arbeitsweise hat sich über die Jahre hinweg verändert. Hier ein Redraw der Karte von 9/2019:
Ich hoffe, dass dir die Tipps aus meinem Tutorial weiterhelfen. Es würde mich freuen, wenn du mir einen kleinen Kommentar hinterlässt, ob dir mein Farbgebungstutorial gefallen hat 🙂